Der Flugverkehr ist je nach Statistik für 2,5 bis etwa 3 Prozent des weltweiten CO2-Ausstosses verantwortlich – etwa so viel wie die weltweite Internetnutzung. Ein Ferienflug in die Karibik fällt also global kaum ins Gewicht. Dennoch fordern diverse Umweltorganisationen, man solle auf das Fliegen verzichten. Ist das fair?

Zwar ist Fliegen nur für 2,5 bis 3 Prozent des CO2-Ausstosses verantwortlich, aber für 7 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen. Der Grund: Die ökologische Belastung eines Fluges liegt nicht nur in CO2-Emissionen, sondern auch in weiteren Schadstoffen wie Stickoxiden und Wasserdampf. Im Verhältnis zu einem Fernzug produziert ein Flugzeug pro Kilometer und Person rund sechsmal so viel CO2. Bezogen auf die Schweiz verursacht der Flugverkehr sogar 27 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen überhaupt. Klar, nicht jeder Flug kann vermieden werden. Fliegen sehen wir eher als «Spezialität» – so wie eine Torte, die man sich selten mal gönnt, aber definitiv nicht zur täglichen Ernährung gehört.

Selbstverständlich sollte man in allen Lebensbereichen nach seinen Möglichkeiten den CO2-Fussabdruck reduzieren. Wenn man aber doch mal die Löwen in der Serengeti in Tansania sehen möchte: Wie lässt sich ein Langstreckenflug dennoch nachhaltig gestalten?

Natürlich gibt es Möglichkeiten, die Anreise zu den Löwen nachhaltiger zu gestalten. Dazu gehört, sich Zeit für die Planung zu nehmen, aber auch vor Ort ein Weilchen länger zu bleiben. Statt viele kürzere Reisen, lieber einmal richtig und ausgiebig. Und wenn schon fliegen, dann bitte direkt, ohne ständiges Umsteigen. Je effizienter die Flugverbindung, desto besser. Es lohnt sich auch auf Buchungsplattformen wie grüner-fliegen.de, die CO2-Emissionen der Flüge zu vergleichen. Mit ein paar Klicks kann man ausserdem beim fairunterwegs-Mitglied Myclimate einen Klimaschutzbeitrag für seinen Flug leisten.

Daten zeigen aber, dass die Kundschaft kaum gewillt ist, den Extra-Franken fürs Klima zu bezahlen. Allgemein beobachtet man eine Klimamüdigkeit bei der Bevölkerung. Wie kann man dem entgegenwirken?

Unser Ansatz besteht darin, nicht den Zeigefinger zu erheben, sondern nachhaltige Entscheidungen als Teil eines glücklichen Reise-Erlebnisses zu sehen. Niemand reist gerne mit einem schlechten Gewissen im Gepäck. Vielmehr geht es darum, das Thema Nachhaltigkeit wie eine Zugabe zu gestalten, welche die Ferien verbessert – weniger Stress, tiefere Erlebnisse, lokale Spezialitäten. Der Clou ist, dass die nachhaltige Wahl oft auch die angenehmere Wahl ist. Anbieter können zum Beispiel den CO2-Ausgleich smart verpacken, indem man die Kompensation direkt in den Ticketpreis integriert, ohne viel Aufsehen darum zu machen. Gleichzeitig ist es wichtig, positive Beispiele zu zeigen: Nachtzug nach Italien, der dich ausgeruht ans Meer bringt, oder eine Zugfahrt quer durch die Alpen, die schon an sich ein Erlebnis ist. Nachhaltigkeit ist keine «Pflicht», sondern ein willkommener Nebeneffekt, der das Reiseerlebnis intensiviert.

Die CO2-Bilanz ist nur ein Baustein. Was gehört noch zum nachhaltigen Reisen dazu?

Genau, nachhaltiges Reisen ist nicht nur CO2 zählen. Es geht darum, Reisen so zu gestalten, dass sie sowohl den Reisenden als auch der lokalen Bevölkerung vor Ort zugutekommen – und das, ohne dem Planeten unnötigen Schaden zuzufügen. Unsere GLÜCK-Formel hilft dabei, diese Prinzipien greifbar zu machen und zeigt, dass diese Art zu reisen einen Mehrwert für alle Beteiligten sein und Spass machen kann. Und so geht die GLÜCK-Formel: Gemächlich unterwegs sein, Lokales bevorzugen, offen für Überraschungen sein, CO2-Emissionen reduzieren und einen korrekten Preis bezahlen.

Lassen Sie uns auf einige Aspekte der GLÜCK-Formel eingehen. Das G steht für «gemächlich». Was ist damit gemeint?

Mit «gemächlich» ist gemeint, ein langsameres Tempo einzulegen. Es bedeutet, sich die Zeit zu nehmen, eine Destination wirklich kennenzulernen, statt in wenigen Tagen viele Must-Sees abzuhaken. Lieber zu Fuss, mit dem Velo oder den Öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sein. Das reduziert Stress, spart oft CO2 und bietet tiefere Einblicke in Kultur und Umgebung. Es geht darum, die Dinge in Ruhe auf sich wirken zu lassen und nicht von einem Ort zum nächsten zu hetzen.

Apropos K, dem «korrekten Preis»: Sind Reisen im Allgemeinen zu günstig?

Ja, viele Reisen sind so günstig, weil die Preise auf Kosten der Umwelt oder der Arbeitsbedingungen der Menschen vor Ort gedrückt werden und die lokalen Gemeinschaften zu wenige Steuern und Abgaben erhalten. Flüge, die weniger kosten als ein Abendessen, sind nur möglich, weil die wahren Kosten der Umweltbelastung nicht eingerechnet werden, selbst Piloten wenig verdienen und keine Steuern bezahlt werden. Aber: Wer einen korrekten Preis bezahlt, bezahlt nicht unbedingt mehr, da die lokalen Anbieter, öffentlichen Verkehrsmittel und die familiär geführten Unterkünfte oft preiswert sind.

Wie kann ein Kunde beim Buchen einer Reise beurteilen, ob der Preis fair ist?

Ein fairer Preis bedeutet, dass alle Beteiligten in der Wertschöpfungskette angemessen entlohnt werden und Umweltauswirkungen mit einkalkuliert sind. Das beinhaltet also faire Arbeitsbedingungen, transparente Lieferketten und nachhaltige Praktiken, die sowohl die Umwelt als auch die lokale Wirtschaft respektieren. Nachhaltigkeitslabels und Gütesiegel wie zum Beispiel «Green Destinations» oder «TourCert» geben Orientierung, da sie bestimmte Standards garantieren.

Es gibt mittlerweile eine unübersichtliche Anzahl Labels. Welche sind vertrauenswürdig?

Fairunterwegs hat in Zusammenarbeit mit deutschen und österreichischen Partnerorganisationen einen Guide für Labels erstellt, um deren Unterschiede aufzuzeigen. Somit können Reisende bewusste Entscheidungen treffen, die nicht nur auf den ersten Blick nachhaltig wirken. Auf tourismus-labelguide.org findet man eine Übersicht vertrauenswürdiger Nachhaltigkeitszertifikate und erfährt, welche Kriterien sie erfüllen müssen.

Weitere Informationen finden Sie unter www.fairunterwegs.org