Es heisst, Sevilla sei von keinem Geringeren als Herkules gegründet worden. Nun, ob der antike Halbgott zwischen seinen Heldentaten wirklich Zeit fand, Andalusiens prächtigste Stadt aus dem Boden zu stampfen, bleibt dem Reich der Legenden überlassen. Was jedoch kein Mythos ist: Sevilla ist ein wahres Schmuckstück unter Europas City-Destinationen, deren Mischung aus Geschichte, Kultur und gaumenerfreuenden Genüssen jeden Reisenden verzaubert.

Und dann ist da noch das Wetter. Mit über 300 Sonnentagen im Jahr bietet Sevilla eine nahezu garantierte Dosis Vitamin D. Selbst im Winter sorgt die andalusische Sonne dafür, dass man hier problemlos im Freien Kaffee trinken und das Leben geniessen kann. Das macht die 680’000-Seelen-Metropole auch im nördlichen Winter zum perfekten Trip für ein verlängertes Weekend.

Flanieren in 2000 Jahre Geschichte

Wie im Grunde genommen jeder Stadt, so sollte man auch Sevilla beim ungeplanten Spazierengehen, beim «Sich-Treiben-Lassen» entdecken. Das Handy mit Google Maps in die Tasche stecken und sich in den verwinkelten Gassen des historischen Zentrums verlieren, den Duft der Orangenbäume einatmen, unter denen man in einem gemütlichen Café eine Pause einlegen und die Zeit vergessen kann. Herrlich ist das.

Und wenn man so durch die Gassen läuft, an denen die Häuser mit ihren flachen Dächern eng beisammenstehen, mag man sich an Städte aus dem nördlichen Afrika erinnert fühlen. Auch wenn Sevilla von den Phöniziern gegründet und von den Römern erweitert wurde, geht das Aussehen der heutigen Altstadt grossteils auf die muslimischen Mauren zurück, die im 8. Jahrhundert das heutige Spanien eroberten und Sevilla zur Hauptstadt der Provinz erhoben. Die typischen Stilelemente, die hufeisenförmigen Bögen, die filigranen Säulen und verschlungene Muster finden sich oft. Die Schönheit der islamischen Formensprache entging auch nicht den christlichen Herrschern, welche die Stadt im 13. Jahrhundert zurückeroberten und die eine «Misch-Architektur» entwickelte, die christliche und maurische Elemente verband.

Meisterwerk der Mudéjar-Baukunst: Der Königspalast Alcázar. © robertdering / AdobeStock

Beeindruckendes Meisterwerk dieser Mudéjar-Baukunst (und zurecht UNESCO-Welterbe) ist der Königspalast Alcázar mit seinen prachtvollen, ornamentverzierten Hallen und überbordenden Gärten, welche die Herrscher an das Paradies erinnern sollten. Das Setting ist so bilderbuchperfekt, dass hier Szenen des berühmten Fantasyepos «Game of Thrones» gedreht wurden.

Beim Thema Religion waren die spanischen Conquistadores, die Eroberer, allerdings nicht so liberal: Kurzerhand stampfte man die Hauptmoschee ein und errichtetet im 16. Jahrhundert an ihrer statt die heutige Kathedrale Santa María de la Sede, ihres Zeichens der zweitgrösste religiöse Bau Spaniens und mit ihrer überwältigenden Wucht zudem UNESCO-Welterbe. Nur eines liessen die christlichen Erbauer stehen: das eindrückliche Minarett der einstigen Mosche, die sogenannte Giralda, der heutige Glockenturm der Kathedrale. Ein Besuch ist ein Muss. Wo sonst findet man eine Kirche, in deren Kreuzgang Orangenbäume wachsen? Zudem befindet sich hier das Grabmal von Christof Kolumbus – allerdings haben Genanalysen gezeigt, dass nur zehn Prozent der Knochen in dem Sarg wirklich vom Amerikaentdecker stammen. Apropos Neue Welt: Nachdem Spanien dank Christof Kolumbus neue Kolonien eroberte (der Ausdruck «plündern» beschreibt es wohl besser) wurde Sevilla zum Hauptumschlagplatz für den spanischen Seehandel. Den gewonnenen Reichtum sieht man noch heute in prächtigen Stadtpalästen und Regierungsgebäuden.

Flamenco: Spontane Kostproben des getanzten Lebensgefühls. © Manuel / AdobeStock

Flamenco und Tapas – die Seele Sevillas

Sevilla bietet nicht nur Geschichte, sondern vor allem eines: südspanisches Lebensgefühl, das unter anderem im Flamenco seien Ausdruck findet. Der charakteristische Tanz ist Zeichen tiefster Emotionen und kultureller Identität. Er erzählt Geschichten von Leid, Liebe und Leidenschaft, die sich in der melancholischen Musik und den ausdrucksstarken Bewegungen der Tänzer widerspiegeln. Seine Wurzeln reichen zurück, bis in die Zeit, als arabische, jüdische und Einflüsse der Roma-Bevölkerung in Andalusien aufeinandertrafen und sich gegenseitig bereicherten. Als Geburtsort des Flamencos gilt das Stadtviertel Triana gegenüber der Altstadt.

Einen ersten Einblick in die Geschichte und Kunstform des Flamencos bietet das Flamenco-Museum «Museo del Baile Flamenco», das nicht nur in die Welt des Ausdruckstanzes einführt, sondern auch der Grand Dame des Flamenco Cristina Hoyos gewidmet ist. Das Gute: Den eher theoretischen Besuch des Museums kann man mit einer Flamenco-Show im hauseigenen Saal abrunden.

Flamenco wird in Sevilla aber nicht nur auf offiziellen Bühnen getanzt, oft finden sich auch Musiker und Tänzer auf Gassen und Plätzen zusammen und bietet spontan eine kleine Kostprobe. Bester Ort dafür ist das Viertel Triana, wo man zudem in einen weiteren Genuss der Region eintauchen kann: Tapas, die kunstvoll belegten Brote und kleinen Häppchen – ob Jamón Ibérico, Gambas al Ajillo oder würzige Patatas Bravas. Bar-Hopping ist dabei Pflicht! Hier, auf der anderen Seite des Flusses Guadalquivir, kann man von Bar zu Bar ziehen und die besten Tapas probieren, die Sevilla zu bieten hat. Unbedingt Halt machen sollte man in der Bar Santa Ana, der Cervecería La Grande und die Bar Las Golondrinas, in denen es überall typisch spanisch zu und her geht.

Traditionelle Tapas – Bar-Hopping ist dabei Pflicht! © delarue / AdobeStock

Feria de Abril – Die schönste Zeit in Sevilla

Nebst dem Winter mit seinen milden Temperaturen ist der Frühling die wohl schönste Zeit, um Sevilla zu besuchen (im Sommer ist es schlichtweg zu heiss). Wenn die Temperaturen noch mild sind und die Orangenbäume blühen, verwandelt sich die Stadt in ein duftendes Paradies. Doch der Höhepunkt des Frühlings ist zweifellos die Feria de Abril, das berühmte Frühlingsfest, das jedes Jahr zwei Wochen nach Ostern stattfindet. Das bunte Spektakel hat seinen Ursprung im 19. Jahrhundert, als es ursprünglich als Viehmarkt ins Leben gerufen wurde. Heute jedoch ist die Feria weit mehr als das: Sie ist ein Fest der andalusischen Lebensfreude und tief in den Traditionen Sevillas verwurzelt.

Für eine Woche verwandelt sich ein riesiges Gelände am Rande der Stadt in ein kleines Dorf aus festlich geschmückten Zelten, den «Casetas», in denen ausgelassen gefeiert, gegessen und getanzt wird – vorzugsweise zu «Sevillanas», einer Variante des Flamencos. Frauen in farbenfrohen Flamenco-Kleidern, Männer in traditioneller andalusischer Reitermode und festlich geschmückte Pferdekutschen prägen das Bild.

Tagsüber finden traditionelle Reitparade statt, bei der stolze Andalusierpferde im Mittelpunkt stehen. Aber auch das gehört hier im Süden Spaniens zu (fast) jedem Volksfest: der Stierkampf. Dieser findet in der Stierkampfarena statt und kann leicht umgangen werden. Und natürlich dürfen auch kulinarische Genüsse nicht fehlen. Neben den typischen Tapas gehört vor allem der Rebujito zur Feria de Abril, ein Cocktail aus Sherry und Limonade, der in rauen Mengen die trockenen Kehlen herunterfliesst. Tipp: Wer zur nächsten Feria de Abril vom 6. bis 11. Mai 2025 nach Sevilla reisen möchte, sollte unbedingt rechtzeitig buchen. Die Zimmerpreise klettern in dieser Woche ins Astronomische.

Abstecher in eine Stadt des Sherry-Dreiecks: Jerez de la Frontera. © JackF / AdobeStock

Sherry Dreieck und weisse Dörfer

Ebenfalls ein «Must» bei einer Stippvisite in Sevilla ist ein Abstecher in das sogenannte Sherry-Dreieck im Südwesten Andalusien. Zwischen den charmanten Städten Jerez de la Frontera, Sanlúcar de Barrameda und El Puerto de Santa María entfaltet sich die faszinierende Welt des Sherrys, dessen Ursprünge bis in die Jahrhunderte vor Christus zurückgeht: Schon im ersten Jahrtausend vor der Zeitwende wurde in der Region zwischen den Städten Cadiz und Sevilla Wein angebaut.

Der besondere Geschmack des Sherrys entsteht durch die sogenannte «Solera»-Methode, bei der junge Weine mit älteren verschnitten werden. Zudem wird dem Weisswein durch den Zusatz von Branntwein der Alkoholgehalt erhöht. Drei Rebsorten sind für die Herstellung erlaubt: Palomino, Pedro Ximénez und Moscatel. Während die Palomino-Traube für die trockenen Sherrys wie Fino oder Manzanilla verwendet wird, entstehen mit der Vermischung mit Pedro Ximénez und Moscatel die süssen Varianten, deren Geschmack an Rosinen und getrockneten Früchten erinnert.

Der Sherry erlangte Weltruhm, als britische Händler ihn im 16. Jahrhundert nach England brachten, wo er schnell zu einem beliebten Getränk wurde. Der Besuch einer der berühmten Bodegas gehört also mit auf das Programm. In Jerez de la Frontera, dem Herzen des Sherrydreiecks, bieten traditionsreiche Häuser wie González Byass (berühmt für seinen Tío Pepe) oder Bodegas Lustau Führungen durch ihre Keller an. Hier lernt man nicht nur alles über die Herstellung des Sherrys, sondern darf auch die verschiedenen Sorten degustieren – vom trockenen, spritzigen Fino bis hin zum süssen, vollmundigen Pedro Ximénez. Gewusst? Der überdimensionale schwarze Stier, dem man entlang spanischer Autobahnen begegnet, ist das Werbelogo der Sherry-Bodega Osborne aus dem Ort El Puerto de Santa María.

Postkartenbild Andalusiens: Weisse Dörfer wie Zahara de la Sierra. © Antonio Ciero / AdobeStock

Den Roadtrip zum Sherry (es empfiehlt sich ein Mietwagen) lässt sich zudem gut mit einem Besuch bei den berühmten Weissen Dörfern, den sogenannten «Pueblos Blancos» kombinieren, die kaum wie andere Orte, das Postkartenbild Andalusiens repräsentieren. Wie Bausteine kleben die weissgekalten und verschachtelten Häuser an  den Hängen der Sierra de Grazalema, bunt geschmückt mit Blumentöpfen, die an den Wänden hängen. Über kurvenreiche Strassen, durch Pinienwälder und Olivenhaine geht es zu solchen Perlen wie Arcos de la Frontera oder Zahara de la Sierra. Und was kann man in den Dörfchen machen, ausser Dutzende instragramtaugliche Fotos schiessen? Ganz klar: Auf dem Dorfplatz Tapas e Vino vom Dorf-Ristorante geniessen. ¡Viva Andalucía!

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