Estland ist der Inbegriff von «Entschleunigung»: Jegliche Hektik ist fremd, Dichtestress gibt es nicht. Wie auch – das Land ist zwar etwas grösser als die Schweiz, hat aber lediglich 1,3 Millionen EinwohnerInnen. Endlose Weiten unberührter Natur und spannende Städte warten auf Reisende, die hier unabhängig von ihrem Programm alle Zeit der Welt haben. In Estland bewegt sich alles eine Spur langsamer und gemächlicher. Dank der kompakten Grösse des Landes sind sämtliche Regionen erst noch mühelos erreichbar.

Der Roadtrip kann beginnen

Direkt vor den Toren der Hauptstadt Tallinn beginnt direkt die wilde baltische Natur und die lässt sich per Auto bestens erkunden. Gut, stehen direkt am Flughafen Mietfahrzeuge von verschiedenen internationalen und lokalen Anbietern bereit. SchweizerInnen brauchen dabei keine lange Eingewöhnungszeit, um Estland per Auto zu bereisen. Denn auf den baltischen Strassen gibt es viele Parallelen zur Heimat, was einem den Auftakt auf vier Rädern deutlich erleichtert. Wie die Schweiz ist auch Estland klein – man kommt somit rasch von A nach B und ist zwischen zwei Städten nie länger als drei Stunden unterwegs. Die gut ausgebauten und mautfreien Land- und Überlandstrassen  bringen einen komfortabel in alle Regionen. Dank dem Tempolimit von 90 Stundenkilometern ausserorts bleibt viel Zeit, um die weiten Landschaften zu geniessen. Auch rund 170 Ladestationen für E-Autos sind übers ganze Land verteilt – wobei man nie länger als 40 bis 60 Kilometer fahren muss, um die nächste Station zu erreichen.

Digital Unterwegs

Die EstInnen sind begeistert von allem, was vernetzt ist. Kein Wunder, gilt die baltische Region als eines der fortschrittlichsten Länder Europas in Sachen Digitalisierung und als «E-Nation» schlechthin. 99 % der staatlichen Dienstleistungen sind online erhältlich. Auch BesucherInnen profitieren davon: Kabelloses Internet wird nicht nur in Gaststätten und im öffentlichen Verkehr angeboten, sondern auch in Parks, an Bahnhöfen und sogar am Strand oder im Wald. Fast immer sind diese Dienstleistungen kostenlos und mit kurzen Ladezeiten verbunden.

Estnische Küche ist stark von den Jahreszeiten geprägt. © Renee Altrov

Geprägt von den Jahreszeiten

Es braucht keinen Gourmet-Tempel, um den Geschmack Estlands kennenzulernen. Eine Vielzahl von Gaststätten bietet entlang der Strassen regionaltypische Gerichte an, die je nach Lage von den Wäldern oder vom Meer geprägt sind. Die Speisekarten der lokalen Restaurants richten sich dabei stark nach den Jahreszeiten und lokal verfügbaren Produkten. Aus den Wäldern stammen Beeren, Pilze und Wild, während am Meer eine Fülle von Fischgerichten und Meeresfrüchten angeboten wird. Im gastronomischen Bereich tut sich in Estland aber gerade eine ganze Menge. Im Sommer 2022 wurde Estland als erstes baltisches Land mit Michelin-Sternen ausgezeichnet. Gleich zwei Restaurants in Tallinn erhielten den begehrten Stern: «Noa Chef´s Hall» und das «180°».

Noch mehr Sterne im 2023

Die Erfolgsgeschichte der beiden Betriebe wurde 2023 weitergeschrieben: Während die «Noa Chef’s Hall» von Chefkoch Tõnis Siigur seinen Status beibehalten konnte, wurde das renommierte Restaurant 180° von Matthias Diether im vergangenen Jahr sogar mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet: Die Komplexität der Küche und das hervorragende Zusammenspiel der verschiedenen Elemente hatte die TestesserInnen überzeugt. Dank Technik, Können, Raffinesse und Geschmacksverständnis schafften es auch andere Betriebe in den Hotel- und Reiseführer: So erhielt das Restaurant Soo in Maidla für sein nachhaltiges Engagement den «Green Star» von Michelin und ist damit das zweite estnische Restaurant mit dieser Auszeichnung. Wer lokale Produkte und eine kreative, ausgewogenen Kochkunst schätzt, sollte «Soo»-Chefkoch Daanius Aas also unbedingt einen Besuch abstatten. Sehr gutes Essen zu moderaten Preisen gibt es im Restaurant Tuljak in Tallinn: Es wurde dafür mit dem «Bib Gourmand» auszeichnet.

Auf der Insel Kihnu. © Priidu Saart

Geschichte des guten Geschmacks

Der Besuch eines baltischen Sterne-Restaurants ist zweifellos ein besonderes Erlebnis. Neben den edlen Stuben gibt es aber auch andere Orte, an denen man die Vielfalt estnischer Gerichte degustieren und mit anderen Aktivitäten kombinieren kann. So bereichert das Thema Ernährung beispielsweise die Programme der Museen: Eine Tour für Feinschmecker bietet das Pärnuer Museum an, während das Estnische Freilichtmuseum Workshops zu den Küchen der Seto und der Peipussee-Russen organisiert. Zu Letzterem gehören 14 Bauernhäuser, die den ländlichen Alltag vom 18. bis zum 20. Jahrhundert vorstellen. Wer hier einen Rundgang von der Kirche zu den Mühlen bis zu den Fischerhütten am Meer absolviert, kann dabei also auch typisch estnische Gerichte probieren. Die Geschichte des Essens steht ebenfalls in der Hellenurme-Wassermühle im Fokus: Unter der Leitung der Müllerin stellen BesucherInnen aus frisch gemahlenem Mehl einen Sauerteig her, den sie anschliessend im Brotofen backen und mit einem Tee geniessen.