Der Toyota-Land-Cruiser rattert über Schlagloch-Pisten, die Bandscheiben zerquetschen könnten. Hitze und Staub trocken die Kehle aus. Es ist eine Tortur, unsere Anreise über dem Landweg zum Serengeti-Nationalpark. Dennoch bin ich in Hochstimmung. Denn ich erwarte nichts Geringeres als: Hunderttausende Gnus, Zebras und Büffel, die im goldenen Sonnenuntergang grasen, Löwen auf der Jagd, Leoparden, die ihre Beute auf Bäumen schleppen. Kurzum: das ganz grosse Tier-Kino. Doch alles, was ich an unserem ersten Tag sehe, sind eine Herde Nilpferde, ein paar Krokodile, die allgegenwärtigen Impalas, eine Geparden-Familie und Warzenschweine, die hässlichsten aller Savannentiere. Das soll sie also sein, die sagenumwobene Serengeti? Ich bin enttäuscht.

Perfekte Bilder im Kopf

Das Problem sind die perfekten Dokumentationen von Fernsehsendern wie National Geographic, BBC oder Netflix, die es haufenweise über die Serengeti gibt – und von denen ich viele gesehen habe. Die Kamerateams liegen monatelang auf der Lauer, um die perfekte Aufnahme zu erhaschen und schneiden diese zu knackigen Sequenzen zusammen. Als Besucher ist man nur ein paar Tage vor Ort. Das bedeutet, man muss alle Erwartungen über Bord werfen und sich auf die Erfahrungen und die Erlebnisse einlassen. Dann entfaltet diese ostafrikanische Ebene eine Magie, die weltweit ihresgleichen sucht.

«Das endlose Land»: Die Serengeti ist der älteste Nationalpark in Tansania. © Simon Dannhauer / Shutterstock

Zur richtigen Zeit am richtigen Ort

Und gleichwohl: eines stimmt in der Serengeti mehr als in anderen Nationalparks. Man muss zur richtigen Zeit, am genau richtigen Ort sein. Denn während in anderen Schutzgebieten die Tiere weitgehend stationär leben, sind die grossen Herden hier ständig in Bewegung. 1,3 Millionen Gnus, 300’000 Thomson-Gazellen, 200’000 Zebras und 15’000 Elenantilopen stapfen im Uhrzeigersinn frischem Gras hinterher – und das in einem Gebiet doppelt so gross wie der Kanton Graubünden.

Unser Problem: Bei unserem Besuch hat sich die Regenzeit verschoben und die grosse Migration befindet sich viel weiter nördlich als üblich. Nach stundenlanger Suche ohne spektakuläre Tiersichtungen brechen wir die Safari ab und machen uns zu unserer Unterkunft im Westen des Parks auf den Weg.

Für einmal ruhende Sprinter: In den Schutzgebieten leben Geparde. © Vaganundo Che / Shutterstock

Die Magie der Serengeti

Und dann ist sie plötzlich da, die Magie der Serengeti: Auf der Musabi Ebene, auf der sich unsere Lodge befindet, haben sich heute alle «resident animals», also jene Tiere, die sich nicht mit auf den Weg machen, zu einem Stelldichein verabredet: Gnus, Zebras und Büffel grasen im Sonnenuntergang vor sich hin, Familien von Löwen beobachten das Geschehen und Suchen sich schon mal ihr Znacht aus, Hyänen lungern in schattigen Erdmulden herum und eine Gruppe der grossen Elenantilopen trottet durchs Bild. Ausser uns gibt es keinen Safarijeep weit und breit. Es fühlt sich an, als hätten wir die Serengeti für uns. Das ist das ganz grosse Kino, von dem ich geträumt habe.

Ebenso wie das Cherero Camp, das nur aus vier grossen Zelten besteht. Nachts höre ich Löwen brüllen und Hyänen heulen und ein permanentes Schmatzen von Büffeln, die vor meinem Zelt grasen. Zum Sonnenaufgang gibts das Zmorgen mitten in der weiten Ebene. In einiger Entfernung grasen die Büffel und in der Ferne zieht eine Herde Elefanten durchs Bild. Das kann keine Netflix-Doku erzeugen, das Gefühl mittendrin zu sein.