Finnisch Lappland bietet im Sommer helle Nächte und Natur pur. Ob wandern, Kanu fahren, schwimmen, fischen, das Leben und die Kultur der Sami kennenlernen, Rentiere füttern, Beeren und Pilze sammeln, Zeit in der Stille und Einsamkeit verbringen, mit etwas Glück einen Elch sichten, gutes regionales Essen geniessen: Hier bleibt kein Wunsch offen.

Unweit von Kuusamo, das ungefähr 100 Kilometer südlich von Rovaniemi liegt, befindet sich das «Haus der nördlichen Sinne». Das luxuriöse und stilvoll eingerichtete Landhaus liegt direkt am Pikku-Porontima-See und ist von einem sechs Hektar grossen Landstück umgeben. In der Nähe des Polarkreises geht die Sonne Mitte Juli nur für 2 bis 3 Stunden unter und es wird nie richtig dunkel. So heizt der Gastgeber Timo die Sauna zu später Stunde für die Gäste ein. Nach jedem Saunagang kann man sich im See abkühlen. Am nächsten Morgen weht ein leichtes Lüftchen am See, das die Wasseroberfläche leicht kräuselt. Das Wasser glitzert in der frühmorgendlichen Sonne, während das Ufer noch im Schatten liegt. Vögel zwitschern. Aus der Ferne ertönt Hundegebell und verstummt gleich wieder. Beherzt steige ich ins kühle Nass und schwimme weit hinaus.

Kotisaari war einst die Hochburg der Holzfäller und Flösser. © Markus Sillanpää

Per Du mit den Rentieren

Nach einem üppigen Frühstück geht es auf zur Rentierfarm von Oskari Kujala. Schon unterwegs begegnet man vereinzelt Rentieren, die halbwild durch die Landschaft streunen. Die Tiere gehören zwar jemandem, leben aber im Sommer in Freiheit und suchen sich ihr Futter im Wald selbst. Deshalb schmeckt das Fleisch der männlichen Tiere sehr würzig, die im Herbst und Winter geschlachtet werden.

Das Rentier «Dude» empfängt die Besuchenden stürmisch und will gestreichelt werden. Oskari hat das verwaiste Tier aufgezogen, weshalb es an Menschen gewöhnt ist. Kaum auf dem Hof angekommen, geht es weiter mit dem nächsten Programmpunkt. Piritta Liikka lädt Interessierte zu einer Yogastunde im Freien ein. Ein Rentierfell dient als Yogamatte und die Teilnehmenden setzen sich auf der Weide im Halbkreis hin. Die Rentiere bilden die «Wände» des imaginären Yoga-Studios, und der Himmel ist das Dach. Die Ruhe und Gelassenheit der äsenden Tiere übertragen sich auf die Yoginis. Sie krallen ihre Finger in das weiche Fell, legen sich auf den Rücken und betrachten die Wölkchen am blauen Himmel. Für einen kurzen Moment vergisst man die Umgebung und gleitet in Tagträumereien, bevor man wiederum den Anweisungen der Yogalehrerin Piritta folgt. Zum Abschluss der Yogastunde gibt es in der traditionellen Kota (Hütte) Tee und Kaffee, die Oskari auf der offenen Feuerstelle zubereitet hat.

Yoga inmitten von Rentieren auf der Farm von Oskari Kujala. © Esther Wyss

Finnen sind Sauna-Fans

Am Pyhäjärvi-See kann man die berühmte Rauchsauna kennenlernen, die als «Königin der Saunas» bezeichnet wird. Saunameisterin Marjo-Riitta hat vier bis sechs Stunden vorher bereits tüchtig eingeheizt, damit die Steine heiss genug sind. Die Sauna ist rauchgefüllt. Bevor man sie betritt, wird der Rauch herausgelassen, sodass nur ein wohlriechender rauchiger Duft zurückbleibt, der sich mit den Aromen der Birken- und Wachholderzweige vermischt. «Peitscht» man sich selbst sanft mit den nassen Zweigen, wird die Durchblutung angeregt.

Als Peeling für das Gesicht und das Dekolleté empfiehlt Marjo-Riitta ihre selbstgemachte Paste aus Honig, Salz und Kräutern. Auch hier lockt der See zum Bade nach jedem Saunagang. «Für den Saunabesuch gibt es keine Regeln, der Körper gibt den Rhythmus vor», beschreibt die Saunameisterin und fügt an: «Der Saunabesuch ist ein geselliger Anlass, bei dem man sich mit Freunden trifft. Es wird geplaudert und viel gelacht.» Bis in den späten Abend kann man im See plantschen und hat dabei bestimmt seinen Spass.

Für Abenteuer sorgt eine Fahrt durch den Oulanka-Nationalpark. © Marie Tysiak

Abenteuerliche Kanufahrt

In der Nähe von Kuusamo befindet sich der Oulanka-Nationalpark, durch den die berühmte Bärenrunde führt. Das sei der schönste Weitwander-Weg Finnlands erklärt Guide Tommi, der in Mataraniemi am Ufer des Oulanka-Fusses die Teilnehmenden zum Einbooten erwartet. Eine Kanutour durch den Nationalpark ist eine gute Wahl. Gebannt starren die Teilnehmenden auf die Stromschnelle und den wilden Fluss. Wer keine Erfahrung im Kanufahren hat, braucht sich keine Sorgen zu machen: Tommi instruiert die Wagemutigen, stellt sicher, dass die Schwimmwesten richtig sitzen und beschreibt, wie man in die recht starke Strömung einfädeln muss.

Die Fahrt auf dem Fluss, der sich tief in die Schlucht eingegraben hat, ist atemberaubend. Leichte Strömungen wechseln sich mit ruhigen Abschnitten ab. Man kann sich gemächlich treiben lassen entlang der Ufer, an denen seltene Pflanzen wachsen und man Rentiere und Wasservögel mit ihren Jungen beobachten kann. Flachere Stellen ohne Strömung laden zum Baden ein. Bei einem Zwischenstopp auf einer Kiesbank geniesst man das mitgebrachte Picknick. Nach dem Lunch geht die Fahrt weiter – dank der bereits erlangten Routine, fühlt man sicher und kann es geniessen. Nach elf Kilometern ist das festgelegte Ziel zum Ausbooten erreicht.

Die Umgebung der Hauptstadt Rovaniemi aus der Vogelperspektive. © Esther Wyss

Ausgefallenes Hobby

Als besonderes Event steht das traditionelle Waschen von Teppichen auf dem Programm: Diese Tätigkeit ist in Finnland ein angesagtes Hobby. Deshalb gilt die Waschanlage in Kuusamo am See als beliebter Treffpunkt. Zuerst werden die Teppiche eingeweicht, dann mit Kiefernseife und Bürste geschrubbt, gespült und anschiessend drei bis vier Mal durch die rollenden Walzen der Mange getrieben. Danach werden die Teppiche zum Trocknen auf dem Holzgestell aufgehängt. Plaudern und lachen gehört zum Waschen dazu, sodass es sogar trotz leichtem Nieselregen grossen Spass macht.

Heidi von «Adventure Apes» lehrt den Teilnehmenden einige finnische Wörter, sodass sie die Zutaten für das Mittagessen gleich selbst einkaufen können. Die Firma «Adventure Apes» hat sich darauf spezialisiert, den Gästen die finnischen Traditionen und den Alltag der Einheimischen näherzubringen. Finnen liebe es, viel Zeit in der Natur zu verbringen. Zu starker Regen lässt die Beeren- und Pilzsuche nicht zu, doch gibt es ohnehin viel zu tun, bis das Mahl im Freien angerichtet ist: Zuerst müssen Hungrige Kleinholz spalten, Späne hobeln und das Feuer mit einem Flintstein entfachen, was gar nicht so einfach ist. Ein einziges Streichholz lässt den Funken überspringen: endlich brennt das Feuer. Dann schnippeln die Gäste Gemüse, waschen den Salat und schneiden den Lachs in Würfel. Die selbstgekochte Fischsuppe schmeckt schliesslich ausgezeichnet, gekrönt von Pfannkuchen vom Feuer mit Waldbeeren zum Dessert.

Das «Haus der nördlichen Sinne» liegt direkt am Pikku-Porontima-See. © Esther Wyss

Freundliche Hunde

Die Fahrt von Kuusamo nach Rovaniemi, wo die Husky-Farm Bearhill auf Besuchende wartet, dauert ungefähr zweieinhalb Stunden. Betty aus Wuppertal empfängt die Ankömmlinge. Sie sei der Hunde wegen vor sieben Jahren «hier hängengeblieben». Sie verrät Wissenswertes über die Hundehaltung und die Zusammenstellung der fett- und proteinhaltigen Nahrung. Je zwei Hunde sind in einem Zwinger untergebracht und schlafen in einer gegen Kälte sowie gegen Hitze isolierten Hütte. In einem riesigen Freilaufgehege dürfen die Gäste die Huskys streicheln, die menschenbezogen sind, gerne knuddeln und sich schwanzwedelnd ihre Streicheleinheiten «abholen». Von Geburt an werden sie sozialisiert und lernen, zur Ruhe zu kommen. Der Kraft- und Leistungsaufbau beginnt schon früh, wobei ein Hund erst mit zwei Jahren einen Schlitten ziehen darf. Im Sommer werden auf der Farm verschiedene Aktivitäten angeboten wie etwa zweistündige Spaziergänge oder zweitägige Wanderungen, zusammen mit den Hunden.

Hier wohnt der «richtige Santa Claus»

Durch die günstige Lage am Zusammenfluss der beiden Flüsse Ounasjoki und Kemijoki wurde Rovaniemi schon früh zum Treffpunkt der Flösser, Händler und Handwerker. Heute ist die Stadt das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum von Finnisch-Lappland. Am Ufer des Ounasjoki befinde sich das architektonisch bemerkenswerte «Arktikum», das mit seiner Glaskuppel zu den schönsten und bedeutendsten Museen Skandinaviens zählt. Hier erfährt man alles Wichtige über das Leben oberhalb des Polarkreises. Wenige Kilometer nördlich von Rovaniemi, direkt auf dem Polarkreis, kann man den «richtigen Santa Claus» im Weihnachtsdorf das ganze Jahr über besuchen. Im Postbüro arbeiten die Post-Elfen: Sie sortieren ungefähr eine halbe Million Briefe, die der Samichlaus jedes Jahr von Kindern aus aller Welt empfängt. Der Post-Elf erzählt nur Gutes über den Samichlaus und meint, er sei der freundlichste Boss, den es gebe.

Die Besuchenden des Weihnachtsdorfes bekommen eine kurze Audienz beim Samichlaus, bei der sie Fragen stellen dürfen: Man erfährt, dass er verheiratet sei, nicht wisse, wie alt er sei, nur an Weihnachten alle Sprachen der Welt sprechen könne und viel zu tun habe. Und schon steht der nächste Programmpunkt auf der Agenda. In den Sommermonaten sind die Tage über dem Polarkreis lang: Im Juli geht die Sonne spät für knapp drei Stunden unter, dunkel wird es nicht. Nach einem feinen Abendessen auf der Insel Kotisaari geniessen wir kurz vor Mitternacht den rotglühenden Sonnenuntergang vom Hügel Santa Vaara aus, der sich unweit von Rovaniemi befindet.

Wandern, wo sich Rentier und Fuchs gute Nacht sagen. © Esther Wyss

Glücklichste Menschen der Welt?

Die Finnen gelten als die glücklichsten Menschen der Welt. Darauf angesprochen, bekommt man verschiedene Antworten zu hören, die sich oft ähneln: Sie seien naturverbunden und hielten sich so oft wie möglich in der Natur auf, zu der sie Sorge tragen. Die Infrastruktur für Outdoor-Aktivitäten ist sehr gut ausgebaut. Hingegen sind die Hütten und Unterstände oft einfach gestaltet mit Feuerstellen und oft sogar Plumpsklos. Auffallend ist, dass nirgends Abfall herumliegt, obwohl keine Abfalleimer vorhanden sind, denn die Menschen nehmen ihren Unrat mit. Um glücklich zu sein, müsse man die Balance zwischen Arbeit und Freizeit finden, sagt Annukka unsere Begleiterin in Rovaniemi. Zudem seien die Menschen zufrieden mit dem, was sie haben. «Wir brauchen keine grossen Dinge», sagt sie. «Wir vertrauen der Gesellschaft und einander – und geniessen es, uns aktiv in der Natur aufzuhalten.»

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