Herzen, so glühend wie die Sonne
Wer dem Duft des wertvollen Weihrauchs in dessen Wiege folgt, reist über goldene Dünen, durch grüne Oasen und zwischen schroffen Felsen in das Land der Karawanen und der karamellfarbenen Küsten.

Wer dem Duft des wertvollen Weihrauchs in dessen Wiege folgt, reist über goldene Dünen, durch grüne Oasen und zwischen schroffen Felsen in das Land der Karawanen und der karamellfarbenen Küsten.

Maskat – in der Hauptstadt des Sultanats Oman beginnt eine Reise oftmals. Es sei vorweggenommen: Wenngleich es sich um eines der wohl würzigsten Fleckchen der Erde handelt, hat der Name mit der Muskatnuss so wenig zu tun wie eine Daunenjacke mit Dünen – sie wächst hier nicht einmal. Dafür spriesst in den Oasen so gut wie alles andere von Datteln bis Granatäpfeln. Frei übersetzt bedeutet Maskat «Ort zum Ankern», was auf die Lage in der wettergeschützten Bucht hinweist.
Es sind nicht Hochhäuser, die sich hier im Nordosten des Landes gegen den Himmel stemmen, sondern sanfte sandfarbene Hügel, gut proportionierte Gebäude, Paläste und Moscheen, wie etwa die Grosse Sultan Qaboos Moschee, für deren Beschreibung gar «monumental» beinahe marginalisierend wirkt; angefangen bei den drei Hauptschiffen und fünf Minaretten, über den 14 Meter langen Kristallleuchter hin zum weltweit zweitgrössten Perserteppich, der 21 Tonnen wiegt und handgeknüpft ist.
Maskat erstreckt sich heute über 65 Kilometer entlang der Küste. Das war nicht immer so, denn einst gab es nur den historischen Altstadtkern auf drei Quadratkilometern. Im von Mauern umgegebenen «Old Muscat» liegen Museen und die Festungen Mirani und Jalani. Prunkstück des Stadtteils ist unbestritten der Al Alam-Palast des Sultans, der einen in andächtiges Staunen versetzen, ungeachtet dessen, wie laut die Möwen gerade krächzen mögen: In der Nachmittagssonne scheint die blau-weiss-goldene Fassade umso satter und die Schatten wirken umso kontrastreicher.

In der benachbarten Bucht reihen sich am Hafen von Muttrah elegante Villen mit kunstvoll geschnitzten Balkonen aus dem 18. Jahrhundert an eine Uferstrasse über drei Kilometer. Zwischen dem kleinen Fischereihafen, dem Duft von Gewürzen – der ohnehin allgegenwärtig ist – und dem geschäftigen Gewusel im Souk zeigt sich Maskat von seiner lebendigsten Seite. Es wird gefeilscht, gewogen, gestickt und geschmiedet. Hier liegt das wirtschaftliche Herz der Hauptstadt und damit auch der wahrscheinlich umfangreichste Souk der Arabischen Halbinsel.
Der «Muttrah Souq», der mit über 200-jähriger Historie als einer der ältesten Märkte in Oman gilt, zieht einen an – und lässt einen nicht so schnell wieder los: Man findet sich wieder in einem duftenden Labyrinth aus Gewürzen, Parfumessenzen, bunt gemusterten Stoffen sowie Süsswaren und glänzendem Silberschmuck. Irgendwo zwischen den Lachern und dem Stimmengewirr hämmert ein Schmied rhythmisch an der gebogenen Klinge eines «Khanjar», des traditionellen omanischen Dolchs. Rund um die Waren und Werkstätten zischt und funkelt es, als hätte man versucht, das reiche kulturelle Erbe des Sultanats an einer Stelle abzubilden.
Tatsächlich ist der «Muttrah Souq» nur ein anregender Ausschnitt aus einem weitaus grösseren kulturellen Mosaik: Die Geschichte des Omans reicht über 5000 Jahre zurück – und damit jene der Handwerkskunst und des Handels. Dieser hat nicht nur Waren hinterlassen, sondern Werte: Die Omanis haben einen tiefen Sinn für herzliche Gastfreundschaft und der Kultur der «offenen Türen» verinnerlicht, die sich nicht zuletzt durch diese jahrhundertealte Tradition des Handels, der Verbundenheit mit dem Rest der Welt, den kulturellen Austausch verankert hat. Symbolisch dafür steht «Khawa», eine wahre Zeremonie der Gastfreundschaft: Verfeinert mit Kardamom oder Nelken, dampft der arabische Kaffee aus kleinen, henkelfreien Tassen, stets begleitet von Süssem oder Datteln – meist in ungerader Zahl, als Glückbringer. Wer ausgetrunken hat, dem schenken die Gastgeber selbstverständlich höflich nach – so lange bis man das Zeichen gibt, genug zu haben, indem man die Tasse diskret zwischen den Fingern schwenkt.
Solche authentischen Begegnungen verspricht ein Abstecher in das «grüne Gebirge». Im Hajar-Gebirge, wo zwischen den kargen Hängen von Jabal Akhdar Granatäpfel von Bäumen und Buden leuchten, in steinernen Kanälen Bergwasser rauscht und im Frühling der zarte Duft nach Rosen über den kleinen Dörfern hängt. Anders als die Datteln, die zum Kaffee gereicht werden, sind die Blüten ungezählt: Reisende können dem behutsamen Blütenrausch beiwohnen, wenn im Frühling geschickte Hände die kostbaren Knospen ernten und sich Korb um Korb füllt. In der gleissenden Sonne fragt man sich unweigerlich: Wie gelingt es den tüchtigen Gebirgsbauern überhaupt, die Wüste zum Erblühen zu bringen, gar in reizvollen Rosatönen?

Die Antwort fliesst – im wahrsten Sinne – in schmalen, unter- und überirdischen, kunstvoll gezähmten Wasserläufen: ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem namens Aflaj. Zirka seit 2500 vor Christus durziehen Kanäle wie Lebensadern das Wüstenland, die das wertvolle Wasser auf weiten Wegen von bis zu zehn Kilometern durch Tunnel und über Viadukte befördert. Dies erfolgt nicht etwa mit hydraulischen Hilfen, sondern allein durch Genie und Gewusst-wie über Generationen hinweg. Fünf dieser Meisterwerke der Ingenieurskunst hat die UNESCO mit der Auszeichnung «Weltkulturerbe» geadelt, darunter das «Falaj Daris» bei Nizwa. Wo die Weite der staubtrockenen Wüste dem üppigen Grün weicht, offenbart sich in einer Senke hinter dem Gebirge die einstige Hauptstadt wie ein Traumbild des Orients: Traditionen, Trubel und buntes Treiben transzendieren hier das Alltägliche, besonders am freitäglichen Viehmarkt.
Ebenfalls zum UNESCO-Weltkulturerbe zählen das trockene Tal Wadi Dawkah, zusammen mit antiken Häfen und der sagenumwobenen Weihrauchstrasse in der Region Dhofar mit dem Hauptort Salalah, deren Küstenlandschaft die Kargheit anderer Gefilde krass kontrastiert. Hier, wo sich saisonal der Monsun ergiesst, «Khareef» genannt, verliert das Terrain seine steinerne Strenge und erscheint feuchter, fruchtbarer, fast schon tropisch – Dschungelgrün übertüncht das Wüstengelb, windschiefe Palmen säumen kilometerlange kokosraspelweisse Strände, auf Plantagen reift eine exotische Ernte von Bananen bis Papayas heran.

Auch ein anderer Naturschatz gedeiht in dieser Region, der einst wertvoller war als Gold: die Kristalle des Boswellia sacra. Die Weihrauchbäume, die sich hier zu Tausenden zum Himmel winden, sind teils über 3000 Jahre alt. Sie sind knorrige Zeugen des antiken und mittelalterlichen Handels, der Dhofar ungeahnten Reichtum bescherte. Schliesslich fand man hier heraus, dass die milchige, zähflüssige Substanz, welche der Baum durch Einritzen der Rinde absondert, in der Sonne zu bernsteinfarbenen Harztränen erstarrt.
Von einer gewissen Mystik umgeben, duften diese nicht nur balsamisch-würzig, fast sakral, sondern lindern dank entzündungshemmenden Eigenschaften auch Krankheiten. Als Heilmittel ist es für (Räucher-)Rituale in fast allen Weltreligionen unentbehrlich. Immer der Nase und Neugier nach finden sich Reisende im weltweit einzigen Weihrauch-Souk in Salalah, wo Händler von nah und ferner auf Kissen sitzen, inmitten von Tonkrügen, Messinggefässen und Säckchen voller Weihrauchstückchen, die Kandiszucker gleichen.

Für ein Sinneserlebnis der anderen Art braucht man die Nase nicht etwa hoch in die Luft zu strecken, sondern unter Wasser: An den noch wenig erforschten Tauchplätzen von Dhofar offenbart sich eine stillere, salzige Szenerie – so reich an Mustern und Farben, dass sie beinahe an die quirligen Souks erinnern. Zwischen intakten Korallen, die wie versteinerte Farbträume wirken, tummeln sich Fischschwärme, Papageienfische huschen vorüber, Rochen segeln vorüber, Schildkröten schwelgen durch das Tiefblau während weiter unten Barrakudas patrouillieren. Wer nicht in das Arabische Meer abtauchen möchte, kann mit etwas Glück von den Klippen aus Delfine beobachten, die wie silberne Pfeile nach Sardinen jagen, oder gar einen Wal-Rücken erspähen.
Das sind nur einige der Wunder, die der Ozean Oman schenkt. Weiter nördlich, nahe Sur, kriechen in stillen Nächten Schildkröten an den Strand und legen ihre Eier ab; in den unberührten Fjorden Musandams, wo das Meer sich zwischen Felsen und Fjorde zwängt, gleitet man auf einer hölzernen Dhau durchs Wasser und begegnet Fischen und Schildkröten. Schliesslich schnorchelt man im gewaltigen Schatten von Walhaien nahe der Küste Maskats, wo die Reise begann – vor gefühlt tausendundeiner Nacht.
Zu Hause am Küchentisch, vielleicht bei einem dampfenden Kahwa, erzählt man dann von Sindbad dem Seefahrer, den Drei Weisen aus dem Morgenland und von märchenhaften Erlebnissen in Oman, wo das Licht alles vergoldet, selbst das eigene Innenleben. Man sehnt sich nach dem inzwischen vertraut gewordenen «Marhaba!» – Willkommen! Wo bleibt bloss der fliegende Teppich, der einen dahin bringt?
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